06.08.13 – Erneut Großhagel aus Superzelle an der Alb

06.08.2013 – Teil 1

Teil 2 gibts hier.

Am 06.08. standen meteorologisch gesehen alle Zeichen auf Sturm. Eine gute synoptische Übersicht (engl.) zur Großwetterlage und deren Folgen findet sich bei EXTOFEX.

Was die gewitterrelevanten Parameter anging, so überlappten im Südwesten alle Nötigen Zutaten für schwere Gewitter. Speziell der hohe Energiegehalt der Atmosphäre (hohe ML-CAPE mit teilweise über 2000 J/kg) in Kombination mit einer sehr ausgeprägten Windscherung und einem dynamischen Hebungsantrieb lies bereits tags zuvor auf eine brisante Situation schließen. Das „Setup“ war ideal für Superzellengewitter (zur Erklärung s. Gewitter – Eine Einführung).

Die Auslösung dieser Gewitter geschah einmal mehr am Schwarzwald. In diesem Fall kam es bereits gegen 13:30 Uhr zur Entwicklung einer Gewitterzelle im Schwarzwald-Lee nordwestlich von Villingen-Schwenningen. Die Gewitterzelle organisierte sich recht schnell und scherte daraufhin nach Osten aus. Auf ihrem Weg lag – wie bereits am 28.07.13 – das Neckartal und der Albtrauf. Im Landkreis Rottweil kam es zu dieser Zeit bereits zu Hagelschlag. Die Zelle bewegte sich – für Superzellenverhältnisse – recht langsam weiter nach Nordost. Hierbei kam es zu einem Zellsplit (zur Erklärung s. Gewitter – Eine Einführung), welcher dafür sorgte, dass das Gewitter noch stärker nach Osten ausscherte. Das folgende Bild zeigt das Gewitter zu dieser Zeit:

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Die nächste größere Stadt auf der Zugbahn war Balingen. Auf dem Radar wies das Gewitter zu dieser Zeit ein Hook-Echo auf – eine typische Radarsignatur einer gefährlichen Superzelle. Meldungen zufolge fiel in der Region Balingen großer Hagel mit Korngrößen bis 8 cm. Von unserer Position bei Reutlingen konnte man – abgesehen von dem sehr großen Eisschirm der Zelle – noch nicht allzu viel erkennen:

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Wir positionierten uns südwestlich von Reutlingen unweit des Albtraufs. Noch war nicht klar, ob die Zelle den „Sprung“ auf die Alb machen würde, oder erneut entlang des Albtraufs ziehen würde. Die Modellkarten deuteten im Vorfeld auf eine starke Ostkomponente bei entwaigen zyklonal rotierenden Superzellen (rightmover) hin. Es wäre daher nicht verwunderlich gewesen, wenn die Zelle auf die Alb gezogen wäre.

Erkennbar war aber der mächtige Inflowbereich, welcher die Zelle ständig mit Nachschub an energiereicher Luft versorgte. In diesem Bereich wurden große Cumuluswolken in Richtung des langsam erkennbaren Aufwindbereichs gezogen:

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Der Hauptaufwind war dabei auf der schwäbischen Alb – quasi am Albtrauf – lokalisiert. Man konnte sehen, dass hier tiefe Wolkenfetzen turbulent herumgewirbelt wurden. Die Bildung eines Tornados hätte zu diesem Zeitpunkt (immer noch Hook-Echo auf dem Radar) nicht überrascht:

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Das Gewitter war recht langsam unterwegs und gab uns so die Möglichkeit einer Abschätzung der weiteren Zugbahn. Wenngleich die Superzelle von unserer Position nicht sonderlich fotogen war, so zeigte die Dynamik doch, dass es sich erneut um ein heftiges Unwetter handelte. Nachdem wir noch etwas abgewartet hatten und dabei die folgenden Aufnahmen machten, beschlossen wir etwas nach Süden direkt an den Albtrauf zu fahren:

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Hier ein Zeitraffervideo vom Aufzug aus zwei Perspektiven:

Eine Position südlich des niederschlagsfreien Aufwindbereichs an der Albkante zu erreichen war unser eigentliches Ziel. Weiter als bis nach Gönningen kamen wir jedoch nicht. Hier wurden wir von heftigem Hagelschlag eingeholt. Anfangs waren die Körner mit 2-4 cm „noch recht klein“. Die Größe nahm aber mehr und mehr zu und gegen Ende fielen Brocken mit ca. 8 cm vom Himmel. Glücklicherweise standen wir leicht geschützt, weswegen keine der Scheiben zu Bruch ging.

Hier ein Video des Hagelschlags bei Gönningen direkt am Albtrauf. Als die größten Brocken fielen, hat nur noch die GoPro gefilmt und ich hab leider verpennt, die beschlagene Scheibe zu putzen….

Nur ca. 1-2 km weiter südlich von unserer Position fielen laut Augenzeugenberichten vereinzelt Hagelkörner mit Durchmessern über 10 cm. Es existiert auch Bild- und Videomaterial von einem Hagelbrocken mit knapp 12 cm Durchmesser.

In der Zwischenzeit hatte sich südwestlich der Superzelle eine weitere Gewitterzelle gebildet, welche direkt im Anschluss über die bereits zuvor getroffenen Gebiete zog. Vor Ort ging der Hagel daher kurzzeitig in Platzregen über, bevor dann erneut Hagelschlag mit größeren Körnern um 5 cm einsetzte. An Autofahren war selbstverständlich nicht zu denken und so waren wir erst einmal gefangen. Aufgrund eines Ausfalls des Mobilfunknetzes war es uns auch nicht möglich die weitere Entwicklung auf dem Radar zu verfolgen. Erst als die zweite Zelle über uns hinweg gezogen war, konnten wir uns einen ersten Überblick verschaffen. Die herumliegenden Hagelbrocken hatten trotz Abtauen durch den langen Regen immer noch gewaltige Ausmaße:

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Glücklicherweise fiel der Hagel größtenteils ohne stärkeren Wind. Dadurch waren die Schäden nicht ganz so verheerend wie beim Hagelunwetter am 28.07.13. Dennoch wurden viele Hausdächer in den Ortschaften Gönningen, Sonnebühl, Genkingen und Undingen beschädigt. Auch einige Autos wiesen zerstörte Scheiben und deutliche Hagelschäden auf. Die Feuerwehr hatte hier allerhand zu tun und war bis tief in die Nacht beschäftigt (s. Video).

In Anbetracht der verursachten Schäden am Albtrauf mag es nach Hohn klingen, aber man kann von Glück sprechen, dass die am 28.07. schwer getroffene Region am Albvorland (Tübingen/Reutlingen/Kirchheim-Teck/Schwäbisch Gmünd…) „nur“ gestreift wurde. Hätte die Superzelle nicht ganz so stark ausgeschert, wären diese Orte erneut von Großhagel betroffen gewesen. Die Folgen wären dramatisch gewesen.

Unser Plan sah unterdessen vor, weiter Richtung Süden ins Trockene zu fahren. Dort wollten wir uns von Südwest her kommend erneut den immer noch sehr mächtigen Gewitterzellen nähern. Zum einen ist dieser Gewittertyp von südlicher Richtung her betrachtet fotogener, zum anderen wären wir hier nicht mehr in den Hagel geraten.

Der Tag war also noch lange nicht vorbei. Zum weiteren Verlauf mit Unwettern In Oberschwaben siehe 06.08.2013 – Teil 2 (folgt so schnell wie möglich).