Analyse zum F2 Tornado am 13.05.15

Dieser Artikel wird ggf. durch neue Erkenntnisse erweitert, aktualisiert bzw. korrigiert. Die genaue Erfassung und Kartierung der Schäden läuft aufgrund der Größe des betroffenen Gebiets sowie der teilweise schweren Zugänglichkeit noch immer und wird sich noch etwas ziehen.

 

Update, 03.06.15
Die Stärke des Tornados wurde nach weiterer eingehender Analyse nun offiziell auf F3(T5) heraufgestuft. Dies entspricht Windgeschwindigkeiten von 254-332 km/h!

 

Kurze meteorologische Übersicht für Mittwoch, 13.05.2015
Der 13.05. startete in Süddeutschland verbreitet freundlich und warm. Eine Luftmassengrenze einer schleifenden/retrograden Kaltfront sorgte jedoch für ein recht gefährliches Gewitter-Setup in großen Teilen Baden-Württembergs und Bayerns. Die Gebiete etwa südlich einer Linie Stuttgart-Regensburg befanden sich noch im Warmsektor, in welchem die Gewitterindices wie CAPE um 1-2 kJ/kg und die Scherungswerte (DLS bis 60 kt, 0-3 km SREH bis 300 m²/s², LLS teilw. > 10 m/s ) auf eine ausgewachsene Schwergewitterlage hindeuteten. Zudem war eine frühzeitige Auslösung grundschichtbasierter Konvektion durch einen Deckel recht gut unterbunden. Im Fachjargon könnte man bei derartigen Bedingungen bereits von einer „loaded gun“ sprechen.
Diese Datenlage sprach in Kombination mit den massiven Höhenwinden für sehr schnell ziehende Superzellen (~ 60-80 km/h), welche am Abend aus Frankreich her auf den Südwesten übergreifen würden. Die Erstauslöse wurde von vielen hochaufgelösten Wettermodellen für 16-17z (18-19 Uhr) in Ostfrankreich erwartet. Im weiteren Verlauf konnte man über dem östlichen BaWü und in Richtung Bayern eine zunehmende Verclusterung der Gewitterzellen annehmen, welche auf ihrem OSO-Kurs allerdings auch hier keinesfalls ungefährlich sein sollten.
Eine weitere synoptische Einschätzung findet sich auch bei ESTOFEX (engl.): Link

 

Unsere Sturmjagd am 13.05.15
Aufgrund der Kartenlage beschlossen wir am späten Mittag in Richtung Schwarzwald-Baar zu fahren. Auf unserem Weg nach Süden sahen wir bereits die ersten kleinen Gewitterzellen des Tages. Dabei handelte es sich ausschließlich und hochbasige, grundschichtentkoppelte Auslöse („Warmfront-Konvektion“). Ein negativer Einfluss auf die am Abend erwarteten Gewitter sollte dieses Vorgeplänkel nicht haben.
Im Hegau angekommen warteten wir auf freiem Feld auf die Auslöse in Ostfrankreich, welche tatsächlich gegen 18:00 Uhr auf dem Satellitenbild und kurze Zeit später auch auf dem Niederschlagsradar sichtbar wurde. Alles schien nach Plan zu laufen. Wenig später waren auf dem Radar drei schöne Gewitterzellen zu sehen, zwei davon wiesen deutliche Charakteristika von Superzellen auf. Allerdings war es anfangs nicht ganz einfach die Zugbahn der Zellen zu ermitteln, da sich das typische Ausscheren solcher rotierenden Gewitter erst noch manifestieren musste. Sorge bereitete uns auch der Schwarzwald an sich als Mittelgebirge. Mit seinen Bergen wirkt er sehr häufig als regelrechter Gewitterkiller auf derartige Zellen aus Frankreich. Dennoch beschlossen wir vorerst die nördlichere Superzelle anzufahren, welche ca. Höhe Saint-Dié-des-Vosges aus den Vogesen in Richtung Rheintal/Schwarzwald unterwegs war. Für uns ging es daher nun wieder etwas nach Norden auf die Baar. Nördlich von Geisingen postierten wir uns nahe der A81 und konnten bereits aus einiger Entfernung den Aufzug dieses Ungetüms beobachten:

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Auf dem Niederschlagsradar war zu dieser Zeit ein für deutsche Verhältnisse extrem deutlich ausgeprägtes Hook-Echo zu erkennen. Anhand der Radarbilder wäre ein Tornado an dieser Superzelle absolut denkbar gewesen.
Wir standen nun zwar gut, es stellte sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass sich die Zelle – vermutlich wegen der Überquerung des Schwarzwalds – deutlich abschwächte. Der Aufwindbereich wurde zunehmend hochbasig und strukturlos (zu sehen im rechten Teil des Bildes). Zwar bestand die Möglichkeit, dass sich die Zelle auf der Baar wieder regeneriert, die hohe Zuggeschwindigkeit von ca. 70 km/h machte ein Mit- oder gar Hinterherfahren allerdings unmöglich. Wir mussten uns daher ein anderes Target suchen. Die Wahl war schnell getroffen: Etwas nach SW versetzt kam eine weitere, starke Superzelle aus Frankreich in Richtung Freiburg gezogen. Da wir nun falsch standen ging es wieder zurück nach Süden ins Hegau.
Zum Zeitpunkt unserer Ankunft brach unsere angepeilte Zelle mit großem Hagel bis 5 cm Durchmesser über Freiburg herein. Auf dem Niederschlagsradar war auch bei diesem Sturm ein ausgeprägtes Hook-Echo erkennbar.
Leider war es in der Zwischenzeit schon ziemlich dunkel und der gigantische Eisschirm der herannahenden Zellen nahm sogar das verbleibende Licht der Dämmerung. Man konnte visuell daher nur noch erahnen, was dort genau aus dem Schwarzwald auf unsere Position vorrückt. Das Niederschlagsradar offenbarte jedoch, dass sich zu unserer Zelle etwas weiter südwestlich nun noch eine weitere gesellte. Es waren nun also zwei ausgewachsene, hochreichende und brandgefährliche Superzellen auf den Weg unsere Region. Nachdem die von uns anvisierte Zelle in Freiburg teils schwere Hagelschäden hinterlassen hatte, zog sie genau über die Feldbergregion und damit auch fast genau auf unsere Position zu. I.d.R. stehen wir bei aufziehenden Superzellen so, dass wir gute Sicht auf den Aufwindbereich haben – häufig sogar genau unter selbigem. Dies hat den Hintergrund, dass sich unter dem Aufwindbereich mit die spannendsten Erscheinungen einer Superzelle zeigen: geniale Wolkenstrukturen, wall cloud, Tornado und großer Hagel an der Grenze von Auf- und Abwind. Dieses Mal jedoch waren wir so positioniert, dass uns der Abwindbereich der Zelle traf. Aufgrund der nordwestlichen Höhenwinde kam es an unserer Position auch schon recht früh zu leichtem Regen. Es war nun dunkel, regnete leicht und die zahlreichen Bodenblitze aus dem Abwindbereich kamen immer näher.

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Strukturen konnten wir vorerst keine erkennen. Als die Bodenblitze bereits in eine eher unkomfortable Nähe kamen und der Regen nachließ, konnten wir im Blitzgeflacker in Richtung NW dann aber plötzlich eine trichterförmige Absenkung erkennen. In gefühlten 99% der Fälle handelt es sich bei solchen Sichtungen um tiefe Fractus- oder Arcus-Wolken. Die Persistenz der Erscheinung machte uns aber skeptisch. Es dauerte etwas, bis wir die Kameras so konfiguriert hatten, dass sie nicht die schönen Bodenblitze einfingen, sondern die verdächtige Absenkung. Und dann war es plötzlich soweit: Bei einem meiner Kollegen erschien auf dem Kameradisplay ein Bild mit einem auskondensierten Tornado, erleuchtet durch einen Blitzschlag. Nun wurde es ziemlich hektisch. Während wir weiter fotografierten, was nicht einfach war, weil die Zelle enorm viele Bodenblitze produzierte die einerseits fast schon unsere Position erreichten und andererseits die Bilder komplett überbelichteten, versuchten wir den Tornado grob zu lokalisieren. Auch das ist nachts unter derartigen Bedingungen nicht gerade einfach. Wir mussten dann aufgrund der Blitzeinschläge, die nun unangenehm schnell von den Donnerschlägen begleitet wurden, ins Auto flüchten. Im letzten Anlauf gelang mir schließlich noch mein persönliches Bild des Tages, welches den fast vollständig auskondensierten Tornado an der wall-cloud der Superzelle zeigt:

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Wir hatten den Tornado jetzt auch ganz grob lokalisiert und verständigten sofort Skywarn bzw. den DWD. Währenddessen hämmerte an unserer Position Hagel bis 4 cm Durchmesser auf das Auto.

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Nachdem die Zelle über unsere Position hinweg gezogen war, grenzten wir die evtl. vorhandene Schneise der Schäden mit Hilfe von Radar, unseren Bildern und Landkarten weiter ein. Trotz der Tatsache, dass es rings herum noch Gewitter gab und es stockdunkel war, fuhren wir direkt in das von uns eingegrenzte Gebiet. Aus Erfahrung wussten wir allerdings, wie schwierig es schon bei Tag ist eine Tornadoschneise am Boden zu finden. Gegen 23:30 Uhr erreichten wir das Mühlbachtal auf der B314 südlich von Fützen in Richtung Grimmelshofen. Hier (47.793757, 8.518299) hatte es offenbar einen Verkehrsunfall gegeben und die Feuerwehr war noch vor Ort. Wir sahen schnell, dass ein Auto auf einen umgestürzten Baum aufgefahren war. Folgend traten wir in die Schneise der Zerstörung ein. Auf dem direkt daneben liegenden Rastplatz konnten wir trotz der Dunkelheit die enorme Wucht des Tornados erkennen. Eine breite Schneise klaffte in den bewaldeten Hängen des Tals. Bereits hier zeigte auch das Fallmuster der Bäume, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um einen Downburst-Schaden handelt. Auf dem Parkplatz standen zwei LKW’s, welche aufgrund des Feiertags bereits Rast machten. Die beiden Fahrer hatten unglaubliches Glück, schlugen vor und hinter ihren Fahrzeugen doch dicke Bäume auf und zerstörten sogar die Leitplanke.
Wir fuhren aus dem Tal hinaus und wollten uns bei der Kiesgrube/Steinbruch einen Überblick von oben verschaffen. Plötzlich sahen wir allerdings die Seile einer Hochspannungsleitung direkt über den Weg hängen und den Boden berühren. Weil wir nicht wussten, ob das Rattern und Knistern von einer der beiden benachbarten Leitungen kam (insg. verlaufen dort 3 Leitungen), stiegen wir nicht aus. Ganz offenbar hatte der Tornado einen Masten der 220 kV Leitung zerlegt. Wir informierten darauf hin die Feuerwehr im Tal, welche noch immer mit den Aufräumarbeiten des Verkehrsunfalls beschäftigt war.
Die ganze Nacht hindurch fuhren wir die Schneise zwischen Münchingen, Lembach, Lausheim, Blumegg, Grimmelshofen und Fützen ab. Aus den betroffenen Waldgebieten waren dabei immer wieder laute Schläge von brechenden Baumstämmen/Ästen zu hören. Als die Morgendämmerung begann, konnten wir dann langsam auch wieder etwas besser fotografieren. Die Bilder der Schäden finden sich in der unten folgenden Analyse des Tornados.
Besonders eindrücklich waren die Schäden an einem Hof bei Fützen knapp am Randen und der Grenze zur Schweiz, den wir im ersten Morgenlicht erreichten. Der Tornado hatte große Teile des Gebäudes komplett zerstört. Nach einem mulmigen Gefühl bei der Fahrt zum Hof waren wir sehr erleichtert, als wir feststellten, dass dieses Gebäude zu dieser Zeit glücklicherweise unbewohnt war.
Wir dokumentierten die Schäden vor Ort ausführlich. Gegen 10 Uhr traten wir dann nach fast 20 Stunden erschöpft die Heimreise an.
Es sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass dies nur so früh möglich war, weil uns die Wehr aus Fützen aus einer „festgefahrenen Situation“ half. Vielen Dank an dieser Stelle an die freundlichen Feuerwehrmänner, die trotz einer sicher ebenfalls langen und anstrengenden Nacht gut gelaunt unterwegs waren!

Begutachtung der Schäden vom Boden

 

Die ersten Bilder vom Boden kommen von der Fläche Oberhalb des Mühlbachtals (B314), quasi direkt oberhalb des Rastplatzes, auf dem die erwähnten LKW’s in der Nacht standen (47.793591, 8.521025). Es ist gut zu sehen, wie der Tornado aus Richtung Blumegg kommend breite Schneisen in den Wald auf beiden Talseiten fraß. Die Baumstämme weisen teilweise Entrindungen auf. Wie später auf Luftaufnahmen zu sehen ist, wurde im nebengelegenen Rapsfeld sogar der Raps komplett herausgerissen. Die Schneise wurde durch diesen herausgerissenen Raps im weiteren Verlauf markiert (grüne Spur auf Erdboden). Viele Äste, ja halbe Bäume lagen oder steckten bis zu einigen hundert Meter weit entfernt in den Feldern – teilweise im rechten Winkel zur Zugrichtung.
An den Kragen ging es auch einem Strommasten einer 220 kV Oberleitung. Der Masten wurde einfach umgeknickt. Die Stromkabel hingen zum Boden und berührten diesen sogar (wir fanden diese Schäden schon in der Nacht, s. weiter oben unter „Unsere Sturmjagd am 13.05.15“).
Auch im Waldstück oberhalb der Stromleitungen schlug der Tornado eine breite Schneise in den Wald.

 

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An einem kleinen Weg oberhalb des Waldstücks, welches oberhalb der Hochspannungsleitungen liegt (47.791398, 8.535165), knickte der Tornado mehrere Verkehrsschilder einfach um – zwei davon entgegen die Zurichtung! Auch mindestens zwei Masten einer Stromleitung sowie ein Wegkreuz wurden aus den Boden gerissen und einige Meter umher geschleudert.

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Weiter in Richtung Ost-Südost waren einwandfreie Spuren des Tornados auf den Wiesen und Feldern (47.788890, 8.541215) zu erkennen (helle Bereiche). Vereinzelt lagen Äste und kleine Trümmer herum.

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Die letzten Bilder kommen vom Ende der Schneise bei Fützen, wo der Tornado sich kurz vor der Schweizer Grenze auflöste. Zuvor Zerstörte er allerdings noch einen glücklicherweise unbewohnten Hof (47.787312, 8.547071). Die Windgeschwindigkeiten waren so hoch, dass das Gebäude wohl regelrecht „explodiert“ ist. Das komplette Dach wurde vom Stall gerissen und viele Meter in Zurichtung verfrachtet. Auch der Restliche Aufbau wurde schwer beschädigt. Hinter dem Haus wurden einige große landwirtschaftliche Arbeitsgeräte umher geschleudert (viel Metall + kaum Angriffsfläche!) sowie quasi alle Obstbäume der Wiese zerstört. Noch ungefähr einhundert Meter hinter dem Hof lagen große Holzbalken in der Wiese. Einige Gegenstände steckten auch im Boden. Die kleinere Trümmer wie Dachplatten etc. lagen sogar noch in einer Entfernung von ca. 2-300 Meter den Hang hinauf, wo der Tornado vor seiner Auflösung auch noch eine breite Schneise in den Wald schlug (47.786927, 8.549838).

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Erich Schüle aus Fützen hat mir zum direkten Vergleich freundlicherweise ein Bild des „Buchhofs“ in intaktem Zustand zur Verfügung gestellt. Die Aufnahme stammt aus den Jahren kurz nach 1945. Der Buchhof wurde in den Jahren 1937/8 erbaut und 1938 eingeweiht.

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Bereits hier lässt sich feststellen, dass der Tornado ungefähr von Münchingen/Lausheim bis zum Waldstück hinter dem Hof bis auf sehr kurze Abschnitte, auf welchen durch den spärlichen Bewuchs keine Schäden erkennbar waren, quasi permanent Bodenkontakt hatte und teilweise erhebliche Schäden verursachte. Anhand der Schäden muss von einer Stärke von min. F2 (T5) ausgegangen werden.

Begutachtung der Schäden aus der Luft
Uns schwante früh, dass die Schneisen deutlich länger und deutlicher sein müssten, wie dies im ersten Moment vom Boden aus zu erkennen ist. Aus Zeitgründen entschlossen wir uns daher am Samstag, 16.05. dazu, mit einem Kleinflugzeug die Schadenspur abzufliegen. Vom Hotzenwald (Rickenbach) ging es erst einmal auf in Richtung Bad Krozingen, wo die ersten Windschäden gemeldet wurden (s.u.). Sowohl hier, wie auch im Münstertal/Schauinsland (zur Erklärung s.u. bei der chronologischen Rekonstruktion) konnten wir allerdings aus der Luft keine deutlichen Schäden erkennen. Dazu seien zwei Dinge gesagt: Einerseits waren die Sichtverhältnisse an besagtem Tag leider suboptimal, andererseits sind durch die Höhe und damit die Maßstäbe tatsächlich nur größere Schäden/Schneisen gut erkennbar. Bereiche, in denen nur vereinzelt Bäume entwurzelt/abgebrochen worden sind, kann man aus der Luft bei hügeligem Relief und dichtem Bewuchs quasi nicht erkennen.
Deutlich klarer wurden die Schäden dann ab der Feldbergregion. Die erste große Schneise findet sich entlang der B317 vom Feldberg in Richtung Bärental (47.859698, 8.067511). Hier war auch das erste Mal ein deutlich konvergentes Fallmuster der Bäume erkennbar, was den tornadischen Ursprung dieser Schäden bezeugt:

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Die Dimension der Hauptschneise, in der quasi der gesamte Baumbestand auf dem Boden liegt, ist hier schon sehr beachtlich. Kleinere Schäden dürfte es aber noch in einiger Entfernung rechts bzw. links davon gegeben haben.
In Verlängerung zu dieser Schneise finden sich ebenfalls einzelne Schäden, welche aus der Luft allerdings nur schwer zu erkennen sind.
Bei Neuglashütten gibt es dann wieder deutlich sichtbare Schäden im Wald (ca. bei 47.855770, 8.093628):

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Auch weiter in Richtung Ost-Südost gibt es einige Schneisen, in denen die Bäume komplett gelegt wurden (ungefähr bei 47.853415, 8.177982):
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Die nächsten, deutlichen Spuren finden sich beim Höhengasthof Glashütte (47.833123, 8.250023):

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Schon von weitem war dann bereits die größte und mit ca. 300 m breiteste Schneise im Wald bei Bonndorf erkennbar (47.826219, 8.274607). Hier hat der Tornado wirklich mit enormer Wucht zugeschlagen. Die Fallmuster sind erneut absolut konvergent und zeigen sogar die zyklonale Rotation (gegen den Uhrzeigersinn) des Vortex.

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Bonndorf selbst verschone der Tornado glücklicherweise. Nur der Bereich am Sportplatz wurde gestreift (47.810904, 8.325566). Hier waren vom Boden deutliche Spuren erkennbar. U.A. wurde ein noch im Bau befindliches Haus getroffen und einige Kleintransporter umgekippt. Das DIXI-WC der Baustelle wurde vom Tornado außerdem einige hundert Meter in die Wiese verfrachtet. Danach zog er weiter in Richtung Lausheim. Auf den Wiesen konnte man seine Spur erahnen, auf den Fotos ist dies allerdings nicht wirklich erkennbar.
Südöstlich von Bonndorf sind die Spuren dann wieder deutlicher (47.806917, 8.376915). An den Gebäuden (s. unten stehende Bilder) entstanden ebenfalls einige Schäden. Interessant ist hier vor allem das Vorhandensein von zwei Schneisen im Wald, welche durch ein fast intaktes Waldstück voneinander getrennt sind. Ob dies die Folge eines sog. Multivortex ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Generell kann es speziell bei stärkeren und breiten Tornados vorkommen, dass sich neben dem eigetlichen Vortex auch Sub-/Satellitenvortices ausbilden, welche quasi um den Hauptvortex rotieren.
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Die Spur der Schäden geht nun in etwas kleinerem Umfang – und daher aus der Luft schwerer erkennbar – weiter. Südlich von Blumegg beginnt dann die letzte deutliche Spur. Hier hatte der Tornado wohl bis knapp zur Schweizer Grenze durchgängig Bodenkontakt. An einem Hügel bei Blumegg (47.798047, 8.499835) wurden nicht nur viele Bäume gelegt, der Tornado hat hier auch Teile eines Rapsfelds komplett aus dem Boden gerissen, sodass die blanke Erde zu erkennen ist:

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In der Verlängerung zum Hügel an der Wutachschlucht, wo auch die Sauschwänzlebahn verläuft, ist eine lange Schneise im Wald erkennbar (47.798425, 8.494815). Die Bahnstrecke war auf einigen huntert Metern durch umgestürzte Bäume blockiert. Außerdem war die K6511 nach Blumegg komplett gesperrt.
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Auch an der B314 am Mühlbach schlug der Tornado breite Schneisen in den Wald (47.793496, 8.517252). Im Tal befindet sich außerdem der Parkplatz, auf dem in der Nacht die beiden LKW’s standen und von dem weiter oben im Bericht unserer Sturmjagd bereits die Rede war. Auch auf der anderen Talseite wurde in einer Schneise quasi jeder Baum gefällt. Das Rapsfeld darüber wurde ebenfalls umgegraben. Die Trümmer lagen weit verstreut, auf den Feldern sieht man deutliche Spuren und der umgeknickte Strommast der 220 kV Leitung sowie die Reparaturarbeiten an selbigem sind erkennbar.
 
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Das letzte Luftbild stammt vom zerstörten und glücklicherweise zu diesem Zeitpunkt unbewohnten Hof bei Fützen, kurz vor der Schweizer Grenze (47.787312, 8.547071):

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Chronologische Rekonstruktion von Zugbahn und Schäden der Superzelle anhand von Radardaten und Medienberichten

 

Die Superzelle, welche für den Tornado verantwortlich war, bildete sich um 18:05 Uhr östlich von Chaumont, Frankreich. Anfangs noch unorganisiert, legte das Gewitter schnell an Größe zu und entwickelte bald auch eine Mesozyklone, welche die Zelle auf einen OSO-Kurs führte. Gegen 19:40 Uhr erreichte die Gewitterzelle die Vogesen und produzierte bei Gerbépal einen ersten Tornado der Stärke F2. Medienberichte dazu gibt es u.A. hier:
Keraunos
Facebook
Bericht (franz.)

 

Gegen 20:45 Uhr erreichte die Superzelle Freiburg im Breisgau. Auf dem Aufriss des Niederschlagsradars ist zu erkennen, dass die Zelle kurz vor dem Erreichen von Freiburg einen fast 11  km Hagelschlot (= Bereich besonders hoher Reflektivität -> Hagel) aufweist. Es überrascht daher nicht, dass es dort zu starkem Hagelschlag kam, wobei die Schlossen Durchmesser bis ca. 5 cm aufwiesen. Der Aufwindbereich der Zelle zu dieser Zeit ist ebenfalls sehr interessant: Zum einen zeigt sich auf dem Niederschlagsradar ein ausgeprägtes Hook-Echo, zum anderen produzierte die Zelle im Nordteil von Bad Krozingen weitere Windschäden. Der genaue Ursprung dieser Schäden ist bislang (noch) nicht gesichert. Medienberichte zum Hagel und zu den Windschäden gibt es hier:
Badische Zeitung
Badische Zeitung
Baden.fm

 

Die Zelle traf nur wenig später gegen 21:00 Uhr auf die Berge des Schwarzwalds. Noch immer ist auf dem Niederschlagsradar ein Hook-Echo erkennbar. Außerdem kam es im Münstertal zu Schäden im Forst durch ein Windereignis. Es mag zwar der Verdacht nahe liegen, dass es sich hierbei ggf. um Schäden tornadischen Ursprungs handelt, wie bei Bad Krotzingen ist der genaue Ursprung allerdings noch unklar. Es handelt sich der Begutachtung nach um einen verhältnismäßig überschaubaren Schaden, bei dem zudem die Fallrichtung der Bäume aufgrund der Hanglage letztlich nur bedingt aussagekräftig ist. Medienberichte zu den Schäden im Münstertal gibt es hier:
Badische Zeitung

 

Erneut ca. 10 min. später: Es war 21:10 Uhr, als die Superzelle den Feldberg inkl. des dortigen Niederschlagsradars erreichte. Auch hier kam es zu Schäden, beispielsweise am Schwarzenbachlift und am Lift Zeller II sowie an der Bärenhütte. Eine Vielzahl der Wanderwege war am Donnerstag nicht begehbar. Im Hinblick auf die Schäden, welche die Zelle in der darauf folgenden halben Stunde angerichtet hat, ist der Tornadovortex als Verursacher der Zerstörungen hier definitiv plausibel. Einen Medienbericht zu den Schäden am Feldberg gibt es hier:
Badische Zeitung

 

Auf dem Weg zum Schluchsee richtete die Zelle nun verbreiteter und deutlich schlimmere Schäden an, die wir aus den Aufklärungsflügen eindeutig einem Tornado zuordnen können. Die Schneisen werden hier sehr lange und auch die Breite nimmt zu. Das erste mal zeigen die Ausmaße hier Merkmale eines F2 Tornados. Auch laut zwei Medienberichten kam es zwischen Feldberg und Bärental bzw. Schluchsee zu stärkeren Schäden:
Badische Zeitung
Badische Zeitung

 

Nordwestlich von Bonndorf beginnt nun die wahre Spur der Verwüstung. Hier schlug der Tornado gegen 21:25 Uhr mit voller Wucht zu. Während des Überflugs konnten wir örtlich riesige, teilweise über 300 m breite Schneisen im Wald erkennen. Die Fallmuster der Bäume zeigen hier ein durchweg konvergentes Muster, was wiederum einen tornadischen Ursprung sichert. Die Stärke des Tornados an diesen Stellen muss mit F2 angenommen werden. Einzelne Schäden sprechen hier sogar für eine Einstufung in die Kategorie F3. Bonndorf selbst wurde vom Tornado nur gestreift (im Bereich des Sportplatzes). Ein noch nicht fertig gestelltes Haus (Neubau) wurde stark beschädigt, außerdem wurden in der Umgebung Kleintransporter umgekippt. Aus der Luft wurde klar, wie knapp das Städtchen im Schwarzwald einer kleinen Katastrophe entging. Für eine derartige Katastrophe hätte eine nur um wenige hundert Meter weiter nördlich gelegene Zugbahn sowie die Stärke des Tornados wie im Wald WNW von Bonndorf gereicht. Hier einige Medienberichte zum Geschehen rund um Bonndorf:
Badische Zeitung
Südkurier
Südkurier
Badische Zeitung
Südkurier (Bildergallerie)
Badische Zeitung (Bildergallerie)

 

Im weiteren Verlauf zog die Superzelle weiter nach Ost-Südost. Der Tornado war nach neusten Erkenntnissen dabei bis auf einige kleinere „Aussetzer“ von ca. 1 bis max. 2 km quasi permanent am Boden. Es verwundert daher nicht, dass die Schäden, welche ca. zwischen 21:30 – 21:40 Uhr rund um die Dörfer Münchingen, Lembach, Lausheim, Blumegg, Grimmelshofen und Fützen angerichtet wurden, teils enorm sind. Einige Medienberichte dazu hier:
Bildergallerie Feuerwehr Lenzkirch (Lenzkirch)
Südkurier (Lausheim)
Badische Zeitung Bildergallerie Bonndorf und Region
Südkurier (Fützen)
Südkurier (Fützen)
Südkurier Bildergallerie

 

Zur Veranschaulichung ist folgend eine Radaranimation vom meteoradar zu sehen, welche den Zeitraum von 20-23 Uhr darstellt. Man erkennt zu Beginn der Sequenz um 20 Uhr die dominante Superzelle im Rheintal, auf die wir es anfangs abgesehen hatten. Nachdem diese den Schwarzwald passiert hat, zeigt sich ab ca. 20:35 Uhr eine deutliche Abschwächung, wonach wir sofort aufbrachen um die nachfolgende und starke Zelle etwas weiter südwestlich anzufahren. Diese zieht zunächst über Freiburg und kurze Zeit später direkt über den Feldberg hinweg, wobei sich quasi in direkter Verbindung in Richtung Südwesten eine weitere Superzelle entwickelt (~21:10 Uhr). Dieses Superzellen-Paar bewegt sich dann auf den Hotzenwald, die Schweiz bzw. unsere Position im westlichen Hegau zu.

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Außerdem hier noch zwei Standbilder, welche die Zelle zu der Zeit zeigt, als das Bild vom Tornado unterhalb der wall-cloud entstand (21:35-21:40 Uhr):

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Quelle und © jeweils: meteoradar
Ein sehr interessantes Radarbild entstand auch beim Dopplerscan (1°) des Schweizer Radars, zu sehen HIER. Daraus kann eine starke Rotation des Gewitteraufwinds (Mesozyklone) entnommen werden (Windscherung > 100 km/h auf ca. 3 km).
Generell möchte ich an dieser Stelle auf das Schweizer Sturmforum aufmerksam machen, wo die Analyse dieses Tornados in einer hervorragenden Art und Weise betrieben wird.